Klopapier-Affäre im Thüringer LKA: Überwachungstechnik bis heute ungenutzt

Vor über zehn Jahren machte MDR THÜRINGEN die sogenannte Klopapier-Affäre im Thüringer Landeskriminalamt (LKA) öffentlich. Bundesweit sorgte der Skandal um die jahrelang erfolglose Suche nach einem vermeintlichen Klopapierdieb im LKA für Schlagzeilen. Jetzt wird bekannt: Damals teuer angeschaffte Überwachungstechnik staubt bis heute in den Arsenalen des LKA vor sich hin.

Die Summe ist auch heute noch exakt bekannt: 4.617,20 Euro. So viel Geld hatte das Thüringer Landeskriminalamt (LKA) vor mehr als zehn Jahren ausgegeben, um einen Klopapierdieb in den eigenen Reihen zu fassen. Gekauft wurden damals über 2.000 sogenannte RFID-Etiketten, wie sie in Geschäften eingesetzt werden, um Ware vor Dieben zu sichern. Dazu auch eine entsprechende Scanneranlage. Mit den Etiketten, oder auch Transponder genannt, sollten die Klopapierrollen im LKA präpariert werden, um den Dieb nach jahrelanger Fahndung endlich zu schnappen.

LKA jagte jahrelang Klopapierdieb in den eigenen Reihen

Rückblick: Im September 2012 veröffentlichte MDR THÜRINGEN, dass die Amtsleitung des Thüringer LKA seit zwei Jahren versuchte, den Diebstahl von Klopapier in der damaligen LKA-Außenstelle in Waltersleben bei Erfurt aufzuklären. Dort hatten sich Putzfrauen bei der Verwaltung beschwert, dass angeblich immer wieder Klopapier gestohlen worden war. Diese Informationen gelangte auf den Schreibtisch des damaligen LKA-Präsidenten Werner Jakstat, der durch seine Ermittler eine Fahndung nach dem Klopapierdieb einleiten ließ.

Dabei scheute das LKA weder Kosten noch Mühen. Spezialisten, die sonst Kameras und Mikrophone zur Überwachung von Drogendealern einsetzen, bauten in einem Treppenhaus eine Kamera auf. Dort wurden damals die frischen Rollen in blauen Säcken gelagert. Zur Auswertung der Kameraaufnahmen wurde ein Beamter aus dem Bereich Staatsschutz abgestellt, doch der wurde nicht fündig. Der Dieb der LKA-Klopapierrollen blieb verschwunden.

Kamera sollte vor Toiletten installiert werden

Inzwischen hatte die LKA-Hausleitung auch die Staatsanwaltschaft Erfurt eingeschaltet, die bei dem ganzen Unterfangen aber skeptisch blieb. Als sich kein Dieb fassen ließ, plante die damaligen LKA-Führung, die Kamera nun direkt vor der Toilette aufzubauen, die als möglicher Tatort in Frage kam. Doch der Idee schoben die Staatsanwälte einen Riegel vor.

Als das Verfahren eigentlich beerdigt werden sollte, kam das LKA auf einen neuen ermittlungstechnischen Dreh: Wie wäre es, wenn man die Klopapierrollen mit Überwachungschips ausstattet? Wenn der Dieb dann durch eine geheim eingebaute Schleuse geht, piept diese, er wäre geschnappt und das Kapitel könnte endlich beendet werden.

LKA beschaffte teure Überwachungstechnik

Der Haken an der Sache war nur: das LKA Thüringen hatte dieses Technik nicht. Also wurde durch die damalige Hausleitung ein Auftrag zur Beschaffung sogenannter RFID-Transponder ausgelöst. Insgesamt wurden damals 2.000 Transponder und die Schleuse für die bereits erwähnten rund 4.600 Euro gekauft. Beschaffung und Einsatz sollten geheim bleiben, doch 2013 machte MDR THÜRINGEN dieses neue Kapitel in der Klopapieraffäre erneut öffentlich. Zuvor hatte sich durch eine MDR-Recherche bereits herausgestellt, dass der Einsatz der Überwachungskamera schon aus Datenschutzgründen rechtswidrig war.

Nun hatte das LKA 2.000 RFID-Chips, samt der Schleuse – aber keine Verwendung dafür. Denn die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren endgültig ein. In der Folge versuchte das Thüringer Innenministerium weiteren öffentlichen Schaden vom Thüringer LKA fernzuhalten, das nach den MDR-Berichten bundesweit Hohn und Spott einstecken musste. Das international bekannte US-Satire-Magazin MAD widmete dem Klopapierskandal eine Titelseite in seiner deutschen Ausgabe und erst vor wenigen Monaten griff die ARD-Satiresendung extra3 den damaligen Skandal nochmals auf.

Technik liegt bis heute ungenutzt rum

Doch auch nach über zehn Jahren ist das Ganze immer noch nicht komplett ausgeräumt. Denn durch eine kleine Anfrage des innenpolitischen Sprechers der Linken-Fraktion im Thüringer Landtag, Sascha Bilay, wird nun bekannt: Die Anschaffung der Technik ist auch nach zehn Jahren völlig umsonst gewesen. Das Innenministerium musste einräumen, dass die 4.600 Euro teure Überwachungstechnik bis heute nicht wiedereingesetzt wurde.

Bei der Frage, wie es mit dem Material weitergehen soll, antwortete das Ministerium salomonisch: „Die RFID-Technologie bietet grundsätzlich vielseitige Einsatzmöglichkeiten unter anderem für die Aufklärung von Eigentumsdelikten oder bei Sachverhalten, in denen eine hohe Anzahl von Einzelgegenständen abzusichern ist.“ Aber es wird auch erwogen, die Transponder zu entsorgen. Fakt ist: Seit zehn Jahren liegen die 2.000 Transponder im LKA rum.

Geheimdienst sollte bei Suche nach Quelle helfen

Doch die Affäre hatte damals auch ernste Folgen. Denn statt einen Datenschutzskandal einzuräumen, machte sich das LKA auf die Suche nach der Quelle, die MDR THÜRINGEN die Geschichte über die teilweise rechtswidrige Überwachung und die Fahndung nach dem vermeintlichen Klopapierdieb gesteckt haben sollte.

Dabei wurden unter anderen Hausdurchsuchungen und weitere Überwachungsaktionen erwogen, die aber alle am Amtsgericht Erfurt scheiterten, weil die Richter das Vorgehen der internen Ermittler als unverhältnismäßig einstuften. Ein an der Recherche beteiligter Journalist wurde zu einer Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft Erfurt vorgeladen. Sogar der Thüringer Verfassungsschutz wurde seinerzeit bei der Suche nach der Quelle zur möglichen Informationsbeschaffungen eingesetzt. Am Ende wurden weder der Informant noch der Klopapierdieb entdeckt.

Mögliche Rache der Putzfrauen?

Bis heute hält sich im Thüringer LKA hartnäckig folgendes Gerücht: Weil es bei den Mitarbeitern in der LKA-Außenstelle damals anhaltende Beschwerden über die Sauberkeit der Toiletten gegeben hatte, sollen sich Putzfrauen gerächt haben, indem sie die Informationen über die geklauten Klopapierrollen in die Welt gesetzt hätten. Was den Thüringer Steuerzahler am Ende 4.617,20 Euro gekostet hat.